
Morgens kurz nach 7 kam der Alarm.
Ich sah, dass es in M. war und zögerte nicht, auf "Akzeptieren" zu klicken. Dank meines Arbeitgebers, der mich sehr bei meiner DSK Arbeit unterstützt, hatte ich keinen Zweifel, dass ich den Auftrag annehmen konnte. Als ich ihm einmal von meiner Arbeit für DSK erzählte, sagte er mir, ich solle bloß nie auf die Idee kommen, wegen eines DSK Auftrags Urlaub einzureichen. Wenn ich los müsste, könne alles andere warten, egal, wie wichtig es zu sein scheint.
Vom Büro zur Klinik sind es nur etwa 10 Minuten. Ich rief also die angegebene Nummer an und hatte nach wenigen Klingeln den völlig aufgelösten Vater am Telefon. Er erzählte mir, dass die ganze Schwangerschaft problemlos verlaufen war, bis gestern auf einmal die Herztöne weg waren. Eigentlich hatten die Eltern jeden Tag mit der Geburt gerechnet. Heute früh wurde dann die Geburt per PDA eingeleitet.
Ich sagte dem Vater, er könne mich jederzeit anrufen, ich könne innerhalb von 15 Minuten da sein.
Gegen 11 Uhr kam dann der Anruf. Ich packte die Kamera ein und fuhr los. In der Klinik angekommen, wurde ich schon von den Schwestern erwartet. Ich musste noch einen Moment warten, dann holte mich die Hebamme ab. Was mir sehr gut gefallen hat war, dass vom Klinikpersonal niemand mit ins Zimmer kam. Die Hebamme sagte einfach nur, ich solle mich melden, wenn wir was bräuchten. Das hatte ich bisher selten. Meistens ist eine Schwester oder Hebamme dabei, was dann die Eltern hemmt, mit dem Kind so umzugehen, wie sie es am liebsten tun würden. Ein guter Start.
Im Zimmer dann erwarteten mich die Eltern und die Schwiegereltern des Vaters. Nach dem morgigen Telefonat war ich, was die Stimmung angeht, auf alles vorbereitet, aber alle waren sehr gefasst. Der kleine B. lag in einem Körbchen. Ein süßer kleiner Mann, der ganz viele dunkle Haare auf dem Kopf hatte. Bis auf die üblichen Deformierungen durch die Geburt, die relativ harmlos waren, konnte man keinerlei Hinweise erkennen, warum der Junge gestorben war. Die Eltern sagten mir auch, die Ärzte wüssten es noch nicht.
Nachdem wir ein paar Minuten gesprochen hatten, packte ich die Kamera aus. Die Eltern fragten, was sie denn machen sollten, und ich empfahl ihnen, all das zu tun, was ihnen gut tun würde und dabei zu versuchen, nicht an mich zu denken. Das hat wirklich sehr gut funktioniert. Sie nahmen seine Händchen und die kleinen Füße in ihre Hände, streichelten ihn, berührten ihn vorsichtig - es war eine sehr intime Atmosphäre. Ich konzentrierte mich darauf, möglichst viele Perspektiven zu erwischen, die Eltern ließen sich durch mich in keiner Weise stören. Ich bin nicht sicher, ob sie so unbefangen gewesen wären, wenn von der Klinik jemand dabei gewesen wäre.
Nach ein paar Minuten geschah dann etwas, wo es mit meiner Beherrschung fast vorbei war. Der Vater nahm den Kleinen aus dem Körbchen und legte ihn an seine Schulter. Dann ging er langsam im Zimmer auf und ab und fing an, ihm leise etwas vorzusingen. Ich musste echt schlucken und war froh, dass ich mich aufs Fotografieren konzentrieren und an der Kamera festhalten konnte...
Nach ein paar Minuten legte er den Kleinen wieder zurück ins Körbchen und deckte ihn vorsichtig zu.
Insgesamt war ich etwa 45 Minuten in dem Raum, bevor ich mich verabschiedete, nachdem ich die Formalitäten noch erledigt hatte. Davor bedankten sich die Eltern noch bei mir, dass alles so schnell und reibungslos funktioniert hatte.
Es war erneut ein Erlebnis, dass mich darin bestärkt hat, dass die Entscheidung, für DSK zu arbeiten, richtig war.
Jeder von uns erlebt viele schöne "Fotografier-Situationen", aber ich glaube, dieses sind die wichtigsten von allen.